Okuli 2020
Christus, unentwegter Beförderer der christlichen Liebe
Predigt über 1. Petrus 1, 18-21
Am Sonntag Okuli, 15. März 2020, in der Johanneskirche Landau
EG Ergänzungsheft 022, 1-3 Kreuz, auf das ich
Ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise,
sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes.
Er ist zwar zuvor ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt war, aber offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen, die ihr durch ihn glaubt an Gott, der ihn von den Toten auferweckt und ihm die Herrlichkeit gegeben hat, sodass ihr Glauben und Hoffnung zu Gott habt.
Liebe Gemeinde!
Der Abschnitt berührt die Mitte des christlichen Glaubens. Entstanden ist er auf dem Missionsfeld. Christen überlegen, wie sie zum Tempel stehen und Christus zur Religion Israels. Sie übernehmen viel: das Alte Testament, die Zehn Gebote, die Psalmen, der Glaube an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs und schließlich die Hoffnung auf Gottes zukünftiges Reich.
Die ersten Christen waren wie Jesus Juden. Sie verstanden sich nicht als neue Religion. Erst später sprach man vom „neuen Israel“, vom „auserwählten Geschlecht, vom „königlichen Priestertum“: vom Volk, das Gott gehört, also heilig ist. Alle diese Begriffe stammten aus dem AT, nun haben sie die Christen auf sich übertragen. Doch die Begeisterung, die aus diesen Prädikaten noch sprach, wich bald der Ernüchterung. Der Jubel von Ostern „Christus ist auferstanden!“ flachte ab.
Man fragte sich: War an der Sache Jesu Christi doch nichts dran? War alles letztlich nur Täuschung und Enttäuschung? Ein Gummiband verliert mit der Zeit die Spannkraft, hängt durch, schlafft ab. Da reißt einen nichts
mehr vom Hocker, was mit Gott, Glaube und Gemeinde zu tun hat. Man kommt immer weniger zum Gottesdienst, faltet immer seltener die Hände zum Gebet und lebt immer weniger in Ehrfurcht vor Gott. Interesse an der Bibel? Lust, die Gebote zu halten? – Machen wir uns nichts vor: Nicht nur für Konfirmanden zeigt sich die Bibel als ein Buch mit sieben Siegeln! Die Botschaft von der Auferweckung Jesu Christi stößt an Grenzen. Der Arzt Tilmann Moser sprach von der Gottesvergiftung, abgelöst durch den Zeitgeist. Viele schauen ängstlich zurück, statt vertrauensvoll nach vorne zu blicken: Klimaangst, jetzt übertrumpft vom Virus. Wer fragt in diesem Zusammenhang nach Gott oder sagt: Tu dies oder das in Gottes Namen! Christliche Werte spielen in ethischen Debatten kaum noch eine Rolle, siehe Sterbehilfe: Der Mensch entscheidet selbst und braucht dabei keinen Gott. ... Doch dann dringt sie wieder durch, die Begeisterung, die ansteckt, Glaubensfreude und Glaubensheiterkeit. Was nottut, das ist Gottes Heiliger Geist, der jeden tief in der Seele anspricht, ja aufweckt!
Der 1. Petrusbrief will nichts als dies: aufwecken, ermutigen, im Glauben konfirmieren, also festmachen und bestärken. Hören wir aus dem 1. Kapitel die Verse 18-22: (s.o.) Wenn Konfirmanden auf die Frage antworten, Christen - was sind das für Leute? sagen sie: Christen gehen jeden Sonntag in die Kirche. Sie lesen eifrig in der Bibel Sie denken immer: Du darfst nicht, du sollst nicht, du musst dies und das tun? Man denkt an Leute, die ständig unter Druck stehen, völlig unfrei, ziemlich verkrampft. – Christen wollen nicht besonders auffallen, sind stets auf Harmonie und Ausgleich bedacht, gehen jedem Konflikt aus dem Wege - bieder, brav, naiv und weltfremd!
Der 1. Petrusbrief sagt es anders! Christen sind Leute voller Hoffnung, Glaubenskraft und Tatendrang, mit Schwung und Elan, voller Gebet! Die tun etwas, fallen auf, glänzen mit ihren Taten der Nächstenliebe, mischen sich ein, erheben Einspruch, wenn nötig: Widerspruch und entwickeln Zivilcourage! Christen, das sind Protestanten: Menschen, die protestieren für die Ehre Gottes auf Erden, die sich einsetzen für ihre Mitmenschen und für „die Bewahrung der Schöpfung“! Christen sind Leute, getragen von Gott selbst, von der Kraft des Glaubens, der Liebe, der Zuversicht! Christen haben etwas, was andere nicht haben, aber genauso brauchen - und: die etwas zu sagen haben, was alle hören müssen! Sie haben genug zu tun, werden nie arbeitslos. Christen - nach unserem Predigttext sind das Leute, die Bescheid „wissen“, die „sich reinhalten“ und die „sich lieb haben“. Christen sind also „Liebhaber“!
Es fällt auf, dass Christen in unserem Land immer weniger reden können „von dem Grund der Hoffnung, die in ihnen ist“. Dass sie sich scheuen, vor anderen klipp und klar zu bekennen: „Jawohl, ich glaube an Gott! Jawohl, ich will als Christ leben. Jawohl, mir sind die Gebote Gottes wichtig.“ Warum der rote Kopf, warum diese Scheu? Muslime, die in unser Land kommen, überrascht und irritiert das oftmals. Sie sprechen offen von ihrem Glauben – aber wie wenig sprechen wir Christen von unserem Glauben und wie spartanisch leben wir ihn meisthin! Warum beim Thema Religion nur so schüchtern? Wie selbstverständlich Christen von ihrem Glauben reden können, lässt sich lernen von Christen aus Südindien oder aus Südkorea. Es beeindruckt, wenn sie sich morgens erst einmal dem Bibelstudium aussetzen und dem Gebet (morgens erst einmal eine Stunde Bibel und Beten)! Wie selbstverständlich und praktisch leben sie aus dem Glauben, beten, wenden sich voller Vertrauen an Gott, den himmlischen Vater. Sie fallen auf, haben etwas zu sagen und werden gehört, auch in der religiös so ganz anders geprägten Gesellschaft ihrer Länder! Christliche Gemeinden dort wachsen! Längst sind die Christen in Missionsländern auf dem Weg zu uns.
Um eine junge Mutter vor einer Notoperation stand es kritisch. Als ich den Mann besuchte, sagte er mir: Er überblicke gar nicht, wie viele Leute aus der Gemeinde für seine Frau beten - aber, liebe Gemeinde, das ist wichtig, dass wir an aneinander denken und füreinander beten! „Wisst“, heißt es: „Wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid ..., sondern mit dem teuren Blut Jesu Christi! ... Wisst, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat und ihm die Herrlichkeit gab, damit ihr Glauben habt und Hoffnung zu Gott!“
Hier liegt die Triebfeder unseres Glaubens und Lebens! Gott hat Christus aus dem Tode auferweckt! „Er lebt, und wir sollen auch leben“ in einer neuen Welt Gottes! Das ist der Grund unseres Glaubens, unserer Hoffnung, unserer Freude - Wenn Christen das vergessen, werden sie blass, kraftlos, mutlos. Dann fehlt der entscheidende Antrieb. Dann steht ihr Christentum nur auf dem Papier.
Die junge Mutter verstarb nach knapp einem Jahr. Die Frau wusste um den Ernst ihrer Krankheit, aber sie wusste zum Glück auch, „wohin die Reise geht“. Dank- und Loblieder sollten auf dem Friedhof gesungen werden, teils unter Tränen ... Wie denn wollten wir Menschen soviel Leid aushalten ohne Glauben, ohne Hoffnung, ohne die Gewissheit, in Gott aufgehoben und geborgen zu sein, in Zeit und Ewigkeit, komme, was wolle? Christus aber ist der Herr auch über den Tod. – Wer das weiß, für den ist der Glaube ist nicht nur Spekulation und Ansichtssache - kein theoretisches Geplänkel, ein Ballaststoff, den man über Bord werfen sollte. - Nein, christlicher Glaube ist höchst nötig, hat „Hand und Fuß“ und muss sich im Alltag bewähren! Eine christliche Gemeinde ist kein intellektueller Debattierklub, sondern weiß, wovon sie redet. Christen wissen, dass Gott Christus auferweckt hat und dass Gott sie schonauferweckt, um im Leben zu bestehen! Hoffentlich wissen wir's und beherzigen es, hoffentlich schöpfen wir aus diesem Vertrauen zu Christus alle erforderlichen Kräfte!
Schließlich lesen wir „Haltet eure Seelen rein.“ Wir sprechen von Umweltverschmutzung - sprechen wir aber auch davon, wie vernachlässigt unsere Seelen sind? Wie steht’s um die Seelenverschmutzung? - Auch Christen machen Gott nicht immer eine Freude; die Pfälzer insbesondere behaupten, sie seinen direkt, aber schimpfen lässt sich‘s hintenherum viel schöner. Der Ungeist macht auch vor Christen nicht halt! Umso wichtiger der Satz: „Haltet eure Seelen rein!“
Wie kann das geschehen: Dazu die dritte Empfehlung: „Habt euch beständig von Herzen lieb!“ Diesen Wink will ich einfach nur wiederholen: „Habt euch beständig von Herzen lieb!“ Christen sind Leute, die „Bescheid wissen“, ihre Seele „reinhalten“ und sich „von Herzen lieben“.
Gib uns heut unser täglich Brot
und was man b’darf zur Leibesnot;
behüt uns, Herr, vor Unfried, Streit,
vor Seuchen und vor teurer Zeit,
dass wir in gutem Frieden stehn,
der Sorg und Geizens müßig gehn. Martin Luther EG 344,5