Professor Günter Hegele zum 90. Geburtstag
Günter Hegele in Landau, bis 1991 Professor für Praktische Theologie an der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum, feiert am
22. April 2019, Ostermontag, seinen 90. Geburtstag.
Günter Hegele hat das Lied „Danke, für diesen guten Morgen“ (EG 334) von Martin Gotthard Schneider zum Erfolg geführt. Das Lied erhielt zunächst in einem Wettbewerb der Evangelischen Akademie Tutzing einen ersten Preis. Günter Hegele, damals Tagungsleiter in Tutzing, überzeugte Heinz Gietz von der Plattenfirma Electrola in Köln, das Lied zu produzieren. Gesungen vom Botho-Lucas-Chor, belegte das Lied 1963 sechs Wochen lang einen Spitzenplatz in der deutschen Hitparade – bis heute einmalig für ein Kirchenlied.
Hegele hatte sich zu dieser Zeit schon im Zusammenhang mit dem „Neuen geistlichen Lied“ einen Namen gemacht. Nach dem Vikariat in Neumarkt und Augsburg St. Anna war Hegele von 1960 bis 1967 Studentenpfarrer in München. Seit 1957 Referent an der Evangelischen Akademie Tutzing, gab Hegele von 1959 bis 1966 als Redakteur die Zeitschrift „Der Plattenteller“ heraus. Hegele wusste um den Wert geeigneter Schlager in der Seelsorge. Viele Schlager spendeten nach seiner Ansicht in den unterschiedlichsten Lebenslagen Trost und Halt – ein Ziel, das auch die Seelsorge verfolge: „Der Schlager spricht tiefere Schichten im Menschen an: die Einsamkeit, die Sehnsucht nach Liebe, nach Heimat, Freude und Gefühl, nach Geheimnis, Trost und irrationalen Inhalten.“[1]Darüber hinaus beobachtete Hegele als Kirchenmann die Schlagerwelt überhaupt. Als der Bayerische Rundfunk 1959 die beliebte Sendung „Teenager - Party“ mit der zunächst wenig wohlgelittenen Beatmusik nach nur einem Jahr einstellte, überlieferte Hegele den Protest der Jugend: Sie malten „mit weißer Ölfarbe in halbmeterhohen Buchstaben an die Adamspforte des Bamberger Doms die Worte ,Elvis Presley, mein Gott'“.[2]
Die Tutzinger Akademie schrieb jährlich einen Wettbewerb für „Neue geistliche Lieder“ aus. Der erste Siegertitel war 1961 „Danke, für diesen guten Morgen“. Bekannt bis heute ist das Gesangbuchlied „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt“ (EG 609), ebenfalls aus der Feder Schneiders und in Tutzing prämiert. Bei den Schlagerfestspielen 1962 in Baden-Baden wirkte Hegele als vielfach akzeptiertes Jury-Mitglied mit. Er half mit, Conny Froboess‘ Titel „Ein kleiner Italiener“ auf Platz eins zu hieven. Auch an Wencke Myhres Sieg bei den Deutschen Schlager-Festspielen 1966 mit „Beiß nicht gleich in jeden Apfel“ war Hegele beteiligt. Hegele lag daran, „christliche Wertmaßstäbe in der Nachkriegs-Schlagerwelt aufzurichten“.[3]Er blieb bei diesen Bemühungen nicht allein. Der Plattenproduzent Uwe Bowien präsentierte amerikanische Negro-Spirituals mit ihrem geistlichen Inhalt in deutscher Sprache. Plötzlich zählten Bibel, Katechismus und Gebetbücher zum gängigen Text-Reservoir der Schlagerbranche. Für diese Entwicklung hat sich in Deutschland besonders Günter Hegele eingesetzt.[4]Der musikfreudige Kirchenmann startete - anfangs heftig befehdet - eine Jazz-Gottesdienst-Bewegung in den Kirchen. Weihnachts-Blues und Hirten-Kalypsos, Tangos und geistliche Slowfox-Melodien hielten Einzug in Kirchen und Musikboxen.[5]Die Akademie Tutzing beendete auf der Höhe des Erfolgs den Liederwettbewerb; man glaubte, es wäre genug gewesen, etwas angestoßen zu haben.
Der Klappentext seines Buches „Heisse Liebe und heisse Musik“ verrät einiges über den Werdegang des Theologen bis 1961: Geboren 1929 in Hamburg und in München aufgewachsen, war er schon als Gymnasiast und Student in den Ferien praktisch tätig und besserte mit Ferienjobs im Tiefbau, im Lebensmittelgroßhandel, im Schichtbetrieb einer Kupferhütte, in einer Dreherei, in der Landwirtschaft und in einer Wurstfabrik sein Budget auf. „Auf diese Weise lernte er neben seiner wissenschaftlichen Arbeit auch die Lage und die Probleme einfacher Menschen kennen und ernstnehmen.“ Sein Theologiestudium absolvierte er in Neuendettelsau, Hamburg, Erlangen und Dubuque (Wartburg Theological Seminary, Iowa, USA).[6]
1967 wurde Hegele Leiter des Hackhauser Hofes, einer Jugendbildungsstätte in Solingen. In Fortsetzung seines Lehrauftrags für Massenmedien an der PH München[7]bildete Hegele in Solingen ehrenamtliche Mitarbeiter im Fach Medien aus. Schon in Tutzing hatte er sich mit den modernen Massenkommunikationsmitteln im Film, Illustrierten, Fernsehen, Comics und Sport und deren Auswirkungen auf das Publikum befasst.[8]Sein dialogoffener Ansatz mit der Jugend schlug sich auch in der Jugendzeitschrift BRAVO nieder, in der er über „Heiße Fragen der Liebe“[9]immer wieder das Gespräch mit Jugendlichen gesucht hat.
Hegele veröffentlichte Bücher wie „Grundwissen für Christen“, „Argumente zum Glauben“ und „Jesus, Programm des Glaubens“. Diese Schrift wurde ihm 1976 in Bochum für seine Professur als promotionsadäquate Leistung anerkannt.
Seit 1991 lebt er im Ruhestand in Landau. Dort hatte seine Ehefrau Irmintraut seit 1986 eine Professur für Grundschulpädagogik inne. Hegele veröffentlichte unterdessen 1984 ein „Grundwissen für Christen. 420 Stichworte zum Gespräch über Glaube, Kirche und Gesellschaft“. Früh erkannte und erprobte Hegele den Einsatz der Computertechnik in der kirchlichen Arbeit und publizierte auch hierzu.[10]Er wurde zu einem anerkannten Pfarrer in der Medienlandschaft, u.a. mit Publikationen in der Reihe „Texte zum Sonntag“ im Deutschlandfunk. 1994 bis 1997 stand Hegele der Evangelischen Akademikerschaft in Deutschland vor. Er übernahm die Redaktion und Produktion der Mitgliederzeitschrift „Evangelische Aspekte“. Über mehrere Jahre hinweg betrieb Hegele das Internetforum „Kernfragen des Glaubens“.[11]Als Zusammenfassung erschien 2017 der Band „Kernfragen des Glaubens. Die Reformation geht weiter“.
Wiewohl altersbedingt körperlich angeschlagen, bleibt Hegele über den Computer mit der Welt verbunden: Das Etikett „kirchlicher Medienpfarrer“ ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Am Ostermontag pflegt er aber die reale Präsenz, zuerst mit dem Gottesdienst um 10 Uhr in der Johanneskirche Landau. Trotz der beruflichen und gesundheitlichen Einschränkungen ist den Eheleuten Hegele der Gemeindegottesdienst immer ein Anliegen geblieben, wie auch neben seinen beruflichen Verpflichtungen für seinen damaligen Wohnort in den 1980er Jahren Mitglied der Bezirkssynode Leverkusen[12]gewesen ist. Hegele begegnete dem Verfasser dieser Zeilen bereits 1999 mit einer Digitalkamera und leitete damit auch eine kleine redaktionelle Revolution in der Redaktion des „Johannesgemeindebriefs“ der Kirchengemeinde Landau-Horst ein.
Im Gottesdienst am Ostermontag wirken u.a. der frühere Kirchenpräsident Eberhard Cherdron aus Speyer und andere Wegbegleiter aus der Evangelischen Akademikerschaft mit. Sohn Johannes Hegele und der Landauer Professor für Kirchenmusik Dr. Michael Gerhard Kaufmann begleiten den Gottesdienst musikalisch. Gemeinde und Freunde sind zum Gottesdienst herzlich eingeladen.
Ein Empfang in der Johanneskirche schließt sich an.
Das Foto-Doppelporträt mit Dr. Irmintraut und Günter Hegele auf der Titelseite habe ich am 11. April 2019 in Landau aufgenommen.
Landau/Pfalz, 16. April 2019
Friedhelm Hans
[1]Der Plattenteller, Erstausgabe 1959.
[2]Buch, Buchhandel und Rundfunk: 1968 und die Folgen, hg. v. Monika Estermann, Edgar Lersch, Wiesbaden 2003, S. 89.
[3]FAZ, 5.4.2014.
[4]Hegele empfahl schon 1960 „Bibelarbeit mit Louis Armstrong“, wandte sich dann verstärkt dem Neuen geistlichen Lied zu. Joachim-Ernst Berendt kritisierte diese Aktivitäten heftig als Versuche der Anbiederung: Detlef Siegfried Time is on My Side. Konsum und Politik in der westdeutschen Jugendkultur der 60er Jahre (= Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte, Bd. 41), Göttingen 2006, S. 136.
[5]Der Spiegel, 18.3.1964. Zum Thema Neues geistliches Lied vgl. René Frank, Das neue geistliche Lied, Diplomatica Verlag 2001, 43-60 (Neuauflage Marburg 2003).
[6]Heisse Liebe und heisse Musik“, München ²1961.
[7]Günter Ruddat, Biogramm in: Michael Basse, Traugott Jaehnichen, Harald Schroeter-Winke (Hg.), Protestantische Profile im Ruhrgebiet. Fünfhundert Lebensbilder aus fünf Jahrhunderten, Kamen 2009, S. 649.
[8]Vgl. Anm. 6.
[9]Günter Hegele, Heisse Liebe und heisse Musik, (wie Anm. 5) mit Hinweisen auf unterschiedliche Präferenzen der Jugendlichen je nach Schulgattung: Volks- und Mittelschüler haben nur 1,2 % Interesse an Jazz (die Werte für Klassische, Opern und Operettenmusik liegen doppelt so hoch, aber alle unter 5%!), dafür begeistern sich aber 76,6% für Schlagermusik und 12% für Volkslieder. Ganz anders verteilen sich die Vorlieben bei Oberschülern, von denen 18,8% gern Jazz hören (25% Klassische Musik, 10 % Opern und Operettenmusik), dagegen nur 35% Schlager. Heute dürften sich die Werte verschoben haben: die Volksmusik ist vermutlich fast völlig verschwunden. Parallel dazu hat die Zahl der elsässischen Hörer des Südwestrundfunks im Radioprogramm SWR 4 abgenommen, ein herber Rückschlag für die deutsche Sprache im Elsaß, fh.
[10]Hegele war Initiator des EDV-Bereichs der Ev. Fachhochschule Bochum, vgl. Ruddat (wie Anm. 5), S. 650.
[11]Weitere Informationsquelle mit zahlreichen Fotos: Biographie, erstellt zum 80. Geburtstag:
http://www.die-reformation-geht-weiter.de/assets/kurzbiografie-guenter-hegele.pdf.
[12]Ruddat (wie Anm. 5), S. 650.